The Demon Behind You

Full Version: Schreibprobe Cassandra
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Hastig packte die junge Frau ein paar Klamotten in eine große Reisetasche. Der halbe Inhalt des Kleiderschranks lag auf dem Boden verstreut und auf dem Bett türmten sich etliche Bücher, halb aufgeschlagen. Cassandra hatte die letzten fünf Jahre ihres Lebens hier verbracht, doch nun war es Zeit Abschied zu nehmen. Kurz stoppte sie in ihrer Bewegung als sie hörte, wie die Wohnungstür geöffnet wurde. „Ausgerechnet heute ist er mal pünktlich“, murmelte sie leise, bevor sie mit dem Packen fortfuhr. „Sandra?“ erklang eine tiefere Männerstimme aus dem Flur. Die Frau reagierte nicht darauf. Die Jacke sollte ich sicherheitshalber mitnehmen. Wer weiß, wohin es mich verschlägt. Als es an ihrer Zimmertür klopfte, erwiderte sie nur ein kurzes „Ja?“. Herein trat ein leicht untersetzter Mann etwa Ende vierzig, was seine graumelierten Haare verrieten. Als er das Chaos in dem Zimmer erblickte, starrte er die junge Frau fassungslos an. „Was hast Du vor? Willst Du verschwinden? … Sandra, Liebes. Du kannst doch nicht…!“ Ihm fehlten sichtlich die Worte. „Warum…?“ hakte er nach, als keine Antwort kam.

„Ich muss hier raus“, erklärte Cassandra schlicht. „Denn ich will nicht mein restliches Leben in diesem Kaff versauern.“ Ihre Stimme klang fest entschlossen, als würde sie nichts von ihrem Vorhaben abbringen können. Ein letzter Pullover landete in der Reisetasche, die bis zum Rand vollgestopft war, bevor sie den Reißverschluss zuzog. „Aber… Du kannst mich doch nicht…“ setzte der Mann noch einmal an. „Dad…“ ihre Stimme wurde eine Spur milder. „Ich bin erwachsen! Und ich will noch etwas von der Welt sehen. Du wirst schon ohne mich klarkommen, da bin ich mir sicher.“ Mit diesen Worten warf sich Cassandra die Tasche über die Schulter und sah ihrem Vater noch einmal in die Augen. „Ich melde mich. Versprochen.“ Unsicher streckte ihr Vater die Hand nach ihr aus, als wolle er sie festhalten, doch in seinem Blick spiegelte sich auch ein Hauch Verständnis. Also strich er ihr nur noch einmal sanft über den Arm. „Du bist so schnell groß geworden“, flüsterte er. Du warst nur zu wenig da, um es mitzubekommen, ging es der Frau durch den Kopf, doch sie behielt den Gedanken lieber für sich. „Bye, Dad“, erwiderte sie knapp und ging schnellen Schrittes an ihm vorbei, als hätte sie Angst, dass er sie doch noch zum Bleiben überreden würde. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete sie tief durch und strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht. „Also dann…“, sprach sie sich selbst Mut zu und machte sich auf den Weg zum Bahnhof.

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Die Sonne ging allmählich unter und färbte den Himmel orange, als Cassandra im Zug Richtung Sacramento saß. Das Ziel war ihr egal. Hauptsache weg. Verträumt sah sie die Landschaft vorbeiziehen und grübelte über ihre nächsten Ziele nach, als die Tür des Abteils aufgeschoben wurde und sie aus ihren Gedanken riss. „Die Fahrkarten bitte“, leierte der Schaffner wohl zum hundertsten Mal an diesem Tag herunter. Eine weitere Frau, die eine Station später eingestiegen war, kramte in ihrer Handtasche und hatte offensichtlich Probleme ihr Ticket zu finden. Also wandte sich der Bedienstete zunächst Cassandra zu, die keine Anstalten machte, ein Ticket herauszuholen. Stattdessen schaute sie dem jungen Mann nur intensiv in die Augen und flüsterte kaum hörbar einige Worte. Kurz darauf nickte der Schaffner nur kurz und erwiderte tonlos „Noch eine angenehme Fahrt“, bevor er sich wieder entfernte. Cassandra wendete sich erneut dem Fenster zu, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen. Sie spürte den verwirrten Blick ihrer Begleiterin auf sich ruhen, doch es war unwahrscheinlich, dass diese irgendein Wort darüber verlor. Das taten die wenigsten, die mit Magie noch nie Berührung hatten.

Das monotone Rattern des Zuges auf den Schienen ließ Cassandra schläfrig werden. Allmählich fielen ihr die Augen zu, so dass sie die restliche Fahrt nicht mehr mitbekam. „Endstation, alles aussteigen“, knarrte es aus dem Lautsprecher, weshalb die junge Frau aufschreckte. Ihre Mitfahrerin war bereits verschwunden. Also schnappte sie sich ihre Tasche und stieg ebenfalls aus dem Zug aus. Die Nacht war mittlerweile angebrochen und gab den Blick auf einen Sternenhimmel frei. Cassandra nahm einen tiefen Atemzug. Freiheit, ging es ihr durch den Kopf als sie mit einem Lächeln auf den Lippen die ersten Schritte in ihr neues Leben tat.